Rückblende – Vor 60 Jahren im DFB-Pokal-Halbfinale
Nur ein Sieg fehlte zum Einzug in den Europapokal
Die neuzehn54-Redaktion hat wieder eine Rückblende für euch.
Wir schreiben Mittwoch, den 7. August 1963. Es ist ein verregneter Sommertag im Bergischen Land. Dennoch sind in Wuppertal viele tausend Menschen in Vorfreude auf den Abend. Der WSV hat es tatsächlich ins Halbfinale des DFB-Pokals geschafft und empfängt in einem ausverkauften Stadion am Zoo den großen Hamburger SV mit Uwe Seeler.
Es ist 15:01 Uhr und nur noch knapp drei Stunden bis zum Anpfiff, als im Bahnhof Wuppertal-Elberfeld der Sonderzug „Gambrinus“ aus Hamburg einläuft. In diesem sitzen die berühmten Kicker um „Uns Uwe“ Seeler. Zur Begrüßung gibt es von WSV-Trainer Robert „Zapf“ Gebhardt einen Blumenstrauß. Danach steigt die Reisegruppe mit ihren Sporttaschen in sechs schwarze Taxen und braust davon. Zu dieser Zeit sind einige Wuppertaler Kicker noch an ihrem Arbeitsplatz. Immerhin gewähren einige Wuppertaler Betriebe den Spielern schon Stunden vor dem Anpfiff großzügig Feierabend. Das Spiel ist mit 38.000 Zuschauern längst ausverkauft, angeblich hätten auch rund 70.000 Karten einen Abnehmer gefunden.
Wie kam es für den WSV zum bis dato größten Spiel der Vereinsgeschichte? Im vorgeschalteten Westdeutschen Pokal hatten die Rot-Blauen zunächst bei SuS Hüsten 09 deutlich mit 9:1 und dann mühsam beim unterklassigen Lokalrivalen Viktoria auf Granit mit 1:0 gewonnen, ehe es Anfang Mai 1963 zum amtierenden Deutschen Meister 1. FC Köln ging. Den favorisierten Gastgeber schlug der WSV ebenfalls knapp mit 1:0 und anschließend gelang mit einem 4:1-Heimsieg gegen den TSV Marl-Hüls der Einzug in den DFB-Pokal. Hier hieß der erste Gegner Hessen Kassel, der die Saison in der Oberliga Süd im Tabellenmittelfeld abgeschlossen hatte. Nach Verlängerung hieß es auswärts 2:2-Unentschieden, was seinerzeit noch einen Losentscheid zur Folge hatte. DFB-Funktionär Degenhard Wolf lieh sich eine Polizeimütze, in der die beiden Lose verschwanden. Die Kasseler jubelten, doch der WSV legte Protest ein und vor dem DFB-Bundesgericht wurde auf Spielwiederholung entschieden. Diese Partie fand im Stadion am Zoo statt, wobei die Bergischen durch Tore von Werner Tönges, Günter Nauheimer und Günter „Fifa“ Augustat vor 15.000 Besuchern klar mit 3:0 siegreich blieben. Nun ging es schlag auf Schlag und nur drei Tage später reiste Borussia Neunkirchen im Viertelfinale an den Zoo. 22.000 Zuschauer bejubelten den frühen Treffer von Manfred Paschke, der zum Einzug ins DFB-Pokal-Halbfinale ausreichte. Hier kam es dann - wiederum nur eine Woche später - zur Begegnung mit dem norddeutschen Rekordmeister „Ha-Es-Vau“.
Unglückliches Ausscheiden bei Dauernieselregen
Der WSV zeigte sich bei Dauernieselregen als ebenbürtiger Gegner. Uwe Seeler war bestens bei Erich „Sonny“ Haase aufgehoben und kam kaum zur Geltung. Die Bergischen machten in beiden Halbzeiten mächtig Druck, im Abschuss fehlte aber die nötige Cleverness. Zudem hatten die Hamburger in Schlussmann Horst Schnoor einen starken Rückhalt, der Manni Reicherts Hammer nach fünf Minuten ebenso parierte wie den Drehschuss von Günter „Fifa“ Augustat in der 28. Minute. Dann unterlief ausgerechnet Manfred Paschke, der gegen Neunkirchen mit dem Tor des Tages erst für den Einzug ins Halbfinale gesorgt hatte, ein grober Schnitzer, den Fritz Boysen zum 0:1 für den HSV nutzen konnte (38.). Fast hätte Paschke seinen Fehler in der Schlussminute wieder wettgemacht, doch scheiterte er am unüberwindbaren Schnoor im HSV-Gehäuse. So stand am Ende ein unglückliches Ausscheiden im Halbfinale, welches aber dennoch einen der größten Erfolge in der nunmehr 69-jährigen Vereinsgeschichte des Wuppertaler SV darstellt. Doppelt bitter: Im Endspiel besiegte der HSV Borussia Dortmund mit 3:0 und wurde Deutscher Pokalsieger. Und weil Borussia Dortmund Deutscher Meister wurde, wäre der WSV bei einem Endspieleinzug für den Europapokal qualifiziert gewesen.
So spielten die beiden Mannschaften:
WSV: Domagalla - Müller, Paschke, Tönges, Haase, Sauer, Arnrich, Reichert, Augustat, Meisen, Nauheimer
HSV: Schnoor - Krug, Korbjuhn, Giesemann, Stapelfeldt, Dieter Seeler, Boysen, Wulf, Uwe Seeler, Kreuz, Dörfel
Tor: 0:1 Boysen (38.)
Schiedsrichter: Helmut Fritz (Oggersheim)
Zuschauer: 38.000 (ausverkauft)
Dieser Artikel ist aus der neunzehn54 Ausgabe 1 der aktuellen Saison.